Geschrieben: 22. Oktober, 2015 in Ernährung | Gesundheit
 
 

Lebensmittelunverträglichkeiten – Wenn unser Essen uns krank macht


Gesundheit ist heutzutage unser neues Statussymbol. Wer etwas auf sich hält, achtet auch auf seine Ernährung. Doch nicht immer ist der Verzicht ein freiwilliges Zugeständnis an das eigene Wohlbefinden. Scheinbar immer häufiger leiden Menschen an Lebensmittelunverträglichkeiten oder Allergien, die den einst sonst so üppigen und abwechslungsreichen Speiseplan drastisch eindampfen.

Lebensmittelunverträglichkeit, Fotoquelle: 123RF
Halten Betroffene sich nicht an ihre neue Diät, drohen Bauchgrimmen, Ausschlag oder sogar schlimmeres.

Allergie oder Unverträglichkeit

Zunächst einmal muss man Nahrungsmittelunverträglichkeiten bzw. Intoleranzen von Allergien unterscheiden. Beide sorgen für einen gelichteten Speiseplan, doch Ursachen und Behandlung sind sehr verschieden.

Bei einer Allergie spielt das körpereigene Immunsystem die entscheidende Rolle. Dieses löst eine heftige Abwehrreaktion des Körpers auf geringste Mengen des allergenen, aber eigentlich ungefährlichen Stoffs aus. Weit verbreitet ist beispielsweise die Allergie gegen Nüsse. Aufgrund der Heftigkeit der Reaktionen kann eine solche Allergie durchaus lebensgefährlich werden.

Bei der Lebensmittelintoleranz oder Unverträglichkeit hat der Organismus dagegen aufgrund eines Mangels an Enzymen die Fähigkeit verloren, einen bestimmten Inhaltsstoff zu verdauen. Betroffen ist also der Verdauungsapparat und nicht das Immunsystem. Oft können geringe Mengen des entsprechenden Nahrungsmittels weiterhin gut vertragen werden. Erst größere Mengen lösen Beschwerden aus.

Laktoseintoleranz

Eine der häufigsten Unverträglichkeiten ist die Laktoseintoleranz. Betroffene können Milchzucker, die sogenannte Laktose, nicht aufspalten, da ihr Organismus keine ausreichende Menge des Enzyms Laktase bildet. Der Milchzucker gelangt so in den Dickdarm und wird erst dort abgebaut. Dabei kann es dann zu Blähungen, Durchfall und Bauchgrimmen kommen. Etwa 15 % der Bevölkerung in Deutschland sind laktoseintolerant. In der Öffentlichkeit herrschte lange der Eindruck, diese Form der Intoleranz breite sich wie eine Epidemie in der Bevölkerung aus. Dies ist jedoch nicht der Fall. „Man kann die Laktoseintoleranz heute nur besser feststellen“, sagt Dr. Johann Ockenga, Gastroenterologe am Klinikum Bremen-Mitte. „Möglich ist auch, dass heute einfach mehr Menschen mit großen Mengen an Laktose in Berührung kommen als früher: Wer zum Beispiel morgens einen halben Liter Milch in sein Müsli kippt und im Lauf des Tages auch noch mehrere Becher Latte macchiato trinkt, dem fallen die Beschwerden vielleicht dadurch erst auf.“

Der Arzt diagnostiziert eine Laktoseintoleranz mithilfe eines Atemtests. Dafür trinkt der Patient ein Gemisch aus Wasser und Laktose. Anschließend wird über einen längeren Zeitraum gemessen, wie gut die Laktose verarbeitet wird. Für Betroffene ist dieser Test sehr unangenehm, da die Symptome wie z.B. Blähungen durch diesen Test natürlich besonders stark auftreten.

Fruktoseintoleranz

Fruktose ist Fruchtzucker, also der Grund dafür, warum Obst süß schmeckt. Im Unterschied zu Glukose oder Galaktose kann der menschliche Organismus Fruktose nur in Maßen verarbeiten. Dabei wird die Fruktose im Darmtrakt absorbiert und ins Blut geleitet. Dieser Transport funktioniert über ein spezielles Eiweiß. Allerdings ist die Menge dieses Eiweißes begrenzt, weshalb die Fruktose unter Umständen nur teilweise verwertet werden kann. Daher können selbst gesunde Menschen unter Beschwerden leiden.

Laut Deutsche Gesellschaft für Ernährung leidet jeder dritte Erwachsene an dieser Stoffwechselstörung. Entgegen des weitläufigen Eindrucks ist jedoch auch diese Erkrankung nicht auf dem Vormarsch. „Die Fruktosemalabsorption wird zwar häufiger diagnostiziert als noch vor einigen Jahren, das liegt aber daran, dass die Diagnose so bekannt geworden ist“, bestätigt Dr. Johann Ockenga. „Patienten drängen oft selbst auf einen Test.“

Die typischen Beschwerden betreffen häufig den Verdauungsapparat und umfassen Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall. Die Diagnose erfolgt wie bei der Laktoseintoleranz durch einen Atemtest. Betroffene müssen Fruchtzucker aber meist nicht komplett meiden. Lediglich auf die richtige Menge sollte man achten.

Glutenintoleranz / Zöliakie

Bei der Zöliakie handelt es sich um einen Sonderfall, denn weder gehört sie zu den Allergien, noch zu den klassischen Unverträglichkeiten.

Bei einer Zöliakie entzündet sich durch eine Reaktion des Immunsystems die Darmschleimhaut. Dadurch wird auch die Aufnahme anderer Stoffe beeinträchtigt. Durchfall kann eine mögliche Folge sein. Lebensmittel wie das morgendliche Müsli, der Kuchen am Nachmittag oder auch das Bier am Feierabend sind dann tabu. Patienten bleibt nur, konsequent auf Gluten zu verzichten. Betroffen sind allerdings nur sehr wenige Menschen: zwischen 0,1 % und 1 % der Bevölkerung.

Um eine Glutenunverträglichkeit diagnostizieren zu können, muss Blut abgenommen und ein Antikörper-Test durchgeführt werden. Auch eine Spiegelung des Darms kann notwendig sein. Vorbeugend gibt es die Möglichkeit, die genetische Veranlagung für diese Krankheit zu bestimmen. Ist eine solche Disposition nicht vorhanden, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch keine Zöliakie vor.

Histaminintoleranz

Ob es die Histaminintoleranz wirklich gibt, ist derzeit noch umstritten. Der Grund dafür liegt unter anderem darin, dass Histamin nicht nur über die Nahrung aufgenommen, sondern auch vom Körper selbst produziert wird. Eine Unverträglichkeit müsste wohl also daher rühren, dass manche Menschen Histamin langsamer oder nur teilweise abbauen können. Die vermeintlichen Symptome sind ebenso vielfältig wie die möglichen Ursachen und reichen von Kopfschmerzen bis hin zu Migräne, Herzrasen, Verdauungsproblemen und Nesselsucht. Da Histamin in einer Vielzahl von Lebensmitteln enthalten ist und andere Lebensmittel die körpereigene Produktion und Absorption von Histamin beeinträchtigen können, sollten Betroffene einen Ernährungsspezialisten aufsuchen, der möglicherweise problematische Lebensmittel genau eingrenzen kann. Trotzdem bleiben manche Wissenschaftler noch skeptisch: „Manche Wissenschaftler sagen, Histaminintoleranz gibt es gar nicht, die anderen denken: doch. Ich gehöre zu Gruppe eins“, sagt Dr. Ockenga vom Klinikum Bremen-Mitte.

Der Trend mit den Lebensmitteln

Die Absatzzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Wir sind alle krank! Anders sind die Verkaufszahlen für gluten- und laktosefreie Lebensmittel nicht zu erklären. Doch wie kann das sein? Eine Marktforschung gab schließlich Aufschluss: Viele Käufer von laktose- und glutenfreien Produkten leiden überhaupt nicht an Intoleranzen, stattdessen sind sie einfach bloß sogenannte „Ernährungssensible“. Diese Gruppe ist nicht erkrankt, aber zumindest doch besorgt und bemüht, jegliches Risiko für ihre Gesundheit durch ihre Ernährung zu minimieren. Die Werbung bedient diese Sorgen nur zu gerne: Laktose- oder glutenfreie Produkte werden als allgemein gesundheitsfördernde Nahrungsmittel angepriesen, Laktose und Gluten, natürliche und ursprüngliche Inhaltsstoffe der Lebensmittel, auf dem Etikett plötzlich als schädliche Zusatzstoffe verbrämt. „So sollen auch Personen zum Kauf dieser Produkte angeregt werden, die keinen Bedarf haben“, erklärt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Industrie verfolge einfach das Ziel, laktose- und glutenfreie Nahrungsmittel zu modernen Lifestyle-Produkten aufzuwerten – und das nicht ohne einigen Erfolg. So gibt es mittlerweile laktosefreie Nudeln. Allerdings beinhalten Nudeln ohnehin keine Laktose. Auch Essig, Öl, Nüsse und Kaffee sind erhältlich – alles ausdrücklich ohne Gluten. Aber auch wenn der Preis anderes suggeriert, kann die Herstellung dieser Produkte nicht aufwendiger als üblich gewesen sein, denn Gluten findet sich in ihnen sowieso nicht.

Einen gesundheitlichen Nutzen haben diese Lebensmittel also nicht – einen finanziellen schon.

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