Geschrieben: 05. Januar, 2024 in Krankheiten von A-Z
 
 

Tinnitus / Ohrenklingeln – Alles nur Kopfsache?


Niemand sonst kann es hören. Manchmal ist es ein Pfeifen, oder auch ein Piepen, ein Klingeln oder ein Klickgeräusch: Tinnitus hat viele Gesichter, die es aber immer nur dem oder der Betroffenen zeigt. Circa 15 % der Bevölkerung leiden an einem Ohrgeräusch, einige (ungefähr ein Fünftel) verzweifeln an diesem ständigen Ton. Das ist umso schwerwiegender, als eine Therapie nicht nur schwer zu finden sondern auch nicht immer von Erfolg gekrönt ist.

Tinnitus (lat. das Klingeln der Ohren), Fotoquelle: 123RF

„Das Schlimmste ist, wenn Tinnitus-Patienten hören: Pech gehabt, Sie haben nichts, wir finden nichts, da kann man nichts machen“, erklärt Ulrich Stattrop, Oberarzt für Psychosomatik in der Klinik Roseneck in Prien. „Das ist falsch und außerdem entmutigend für die Patienten.“ Trotzdem ist diese Diagnose nicht selten, denn eine organische Ursache kann häufig nicht gefunden werden.

Tinnitus ist nicht unbedingt ein Vorbote für schlimmere Erkrankungen, es ist auch kein kleiner Schlaganfall im Ohr. Die akuten Ohrgeräusche werden in der Regel durch Lärmschäden oder einen Hörsturz verursacht. Manchmal entwickeln sie sich auch schleichend. Gemeinsam ist ihnen aber meistens, dass sie durch eine Überbelastung verursacht werden. Denn eigentlich gelingt es unserem Gehirn sehr gut, „Störgeräusche“ oder das „normale Hintergrundrauschen“ aus der uns umgebenden Geräuschkulisse herauszufiltern und auszublenden. So hören wir z. B. unseren eigenen Puls nicht. Wenn nun aber das Gehirn durch Stress überlastet ist, kann es dazu kommen, dass diese unterdrückten Hintergrundgeräusche plötzlich in den Vordergrund treten.

Tinnitus – Weit verbreitet und langwierig

Leider verschwinden Ohrgeräusche nicht immer so schnell, wie sie gekommen sind. Die Behandlung eines Tinnitus kann sich durchaus über mehrere Jahre hinziehen. Rund ein Viertel der Patienten verliert das störende Ohrgeräusch während einer solchen Therapie vollständig. Bei drei Viertel der Betroffenen stellt sich meist zumindest eine deutliche Besserung ein. Unter Umständen kann eine Besserung aber auch ausbleiben. Manchmal verschlechtert sich der Zustand sogar noch, was zu einem extremen Leidensdruck bei den Patienten führt. Bei rund 90 % dieser Personen liegt jedoch auch eine psychische Begleiterkrankung vor, z. B. eine Depression oder eine Angststörung, die unbewusst oder bewusst enormen Stress verursacht – und einen Tinnitus begünstigt.

Der psychosomatische Ansatz

Tinnitus wird daher häufig als eine psychosomatische Erkrankung begriffen, die nicht so sehr auf körperlicher Ebene als vielmehr auf der Verhaltensebene therapiert werden sollte. Ein geschärftes Verständnis der Symptome ist eine Voraussetzung dafür. So lernen Patienten, den lästigen Ton anders als gewohnt wahrzunehmen, indem er anders assoziiert wird. Was sonst wie eine Mücke, ein ständiges Sirren wie von einem Trafo oder wie ein Presslufthammer im Ohr wütete, wird neu verknüpft, z. B. als Meeres- oder Bachrauschen umgedeutet. Denn da das Geräusch nur im Kopf der Betroffenen existiert, haben sie auch die Deutungshoheit darüber. Sie nehmen Distanz zum Geräusch ein und entschließen sich einfach dazu, es als weniger störend zu empfinden, indem sie es anders ausdeuten.

Der schulmedizinische Ansatz

Ein anderer Ansatz geht von einer Mangeldurchblutung des Innenohrs aus. Infusionen sollen hier Abhilfe schaffen, indem sie die Durchblutung fördern. Andere Wissenschaftler vermuten die Ursache in einer chronischen Entzündung im Ohr. Also werden Entzündungshemmer wie Kortison verabreicht. Der Nutzen dieser Ansätze ist jedoch umstritten. Ein eindeutiger Nutzen dieser Therapien konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Ein weiterer Ansatz scheint indessen vielversprechend: die Therapie mit elektromagnetischen Impulsen. Derzeit befindet sich dieser schonende Therapieansatz noch im Versuchsstadium, doch erste Behandlungserfolge geben Anlass zur Hoffnung.