Geschrieben: 10. Januar, 2024 in Gesundheit | Krankheiten von A-Z
 
 

West-Syndrom – Epilepsie bei Kindern


Was ist „Epilepsie“? Epilepsie bezeichnet wiederholte Krampfanfälle, die durch keinen erkennbaren Grund ausgelöst werden (z.B. Schädel-Hirn-Trauma, Fieber, Infektion des Gehirns). Sie entsteht durch eine Fehlfunktion der Übertragung elektrischer Impulse in den Nervenzellen des Gehirns, wodurch es zu einer Überlagerung der Signale und schließlich zu einem krampfartigen Anfall kommt.

 

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Diese Anfälle können ganz unterschiedlich ablaufen, je nachdem, welche Nervenzellen betroffen sind und welche Körperfunktionen sie steuern.

Was bezeichnet man als West-Syndrom?

Das West-Syndrom, eine seltene Form der Epilepsie, die typischerweise im ersten Lebensjahr auftritt, wurde nach dem britischen Arzt William West benannt. Dieser dokumentierte die Symptome erstmals im Jahr 1841 bei seinem vierjährigen Sohn. Vor allem im deutschsprachigen Raum hat sich jedoch die Bezeichnung BNS-Epilepsie durchgesetzt. BNS steht dabei für Blitz-Nick-Salaam und greift die drei charakteristischen Symptome dieser besonderen Form auf: die sogenannten „Blitzanfälle“ (plötzliche Zuckungen vor allem der Extremitäten, gefolgt von einer länger anhaltenden Kontraktion), „Nickanfälle“ (Zuckungen der Nacken- und Halsmuskulatur, wodurch der Eindruck eines Nickens entsteht) und „Salaam-Anfälle“ (Zuckungen der Rumpf- und Armmuskulatur, was an den orientalischen Friedensgruß erinnern kann).

Der überwiegenden Zahl der Fälle liegt eine Schädigung des Gehirns zugrunde, zu der es vor, während oder nach der Geburt kommen kann. Aufgrund dieser Schädigung zeigt sich bei vielen betroffenen Kindern schon vor dem ersten eigentlichen Epilepsieanfall eine Beeinträchtigung, beispielsweise im Bereich der Motorik oder der Reizverarbeitung. Um den Grund der Erkrankung eindeutig zu bestimmen, wird zunächst eine Elektroenzephalografie (EEG) durchgeführt, die die elektrische Aktivität im Gehirn misst. Aus diesem Diagramm lässt sich ein erster Verdacht häufig schon bekräftigen. Zusätzlich können jedoch auch andere Untersuchungen, wie beispielsweise eine Kernspintomografie oder eine Blutanalyse, notwendig sein. Gibt es keine Anzeichen einer Störung des Gehirns oder des Stoffwechsels, sollte außerdem eine mögliche genetische Ursache abgeklärt werden.

Wie läuft ein BNS-Anfall ab?

Ein BNS-Anfall kann plötzlich und ohne vorherige Reize auftreten, sich aber auch durch eine auffällige Ruhelosigkeit des Kindes ankündigen. Häufig kommt es kurz nach dem Aufwachen oder vor dem Einschlafen zu einem Anfall. Zwischen den einzelnen Krampfattacken, die alle drei BNS-typischen Formen umfassen können, liegt häufig weniger als eine Minute. Außerdem treten meist mehrere Anfälle pro Tag auf, weshalb die Kinder nach einer solchen Anfallserie oft verstört und erschöpft sind.

Besonders bei seltener auftretenden Anfällen kann es nützlich sein, sie auf Video aufzunehmen. Dadurch kann sich die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt sofort einen ersten Eindruck machen. Zusätzlich empfiehlt sich das Führen eines „Anfallkalenders“, in den Zeit, Dauer und Art der Anfälle eingetragen werden können. Während der Therapie sollten darin auch Medikamente und eventuelle Nebenwirkungen vermerkt werden.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Auch wenn ein Anfall für Laien harmlos erscheinen kann, führt er unbehandelt meist zu schweren, zum Teil dauerhaften körperlichen und geistigen Schäden. Neben der Therapie eventueller Vorerkrankungen ist daher auch eine Therapie der BNS-Epilepsie unbedingt notwendig. Wie bei vielen anderen Erkrankungen auch muss diese Therapie jedoch individuell angepasst werden. Eine allgemein Erfolg versprechende Standardtherapie existiert bisher nämlich nicht. Neben der Möglichkeit, hohe Dosen Vitamin B6 zu verabreichen, erfolgt eine Behandlung normalerweise mithilfe krampflösender Medikamente, den sogenannten „Antikonvulsiva“. Diese haben jedoch teilweise starke Nebenwirkungen. Neben Schläfrigkeit, Unruhe, erhöhter Infektanfälligkeit und Bluthochdruck kann es auch zu Herzproblemen, Gewichtszunahme und Knochenabbau kommen. Diese Nebenwirkungen sind zwar belastend, allerdings wiegen die Konsequenzen einer Nichtbehandlung noch deutlich schwerer. Außerdem unterscheidet sich die Ansprache auf bestimmte Mittel, sodass die Medikation bei Bedarf umgestellt werden kann. Neben der Gabe von Medikamenten können ergänzend auch medizinisch-pädagogische Förderbehandlungen durchgeführt werden. Diese sollen einer Beeinträchtigung der körperlichen und intellektuellen Entwicklung des Kindes entgegenwirken.

Leider verstirbt trotz aller Behandlungserfolge noch immer ein Fünftel der Kinder. Vor allem eine fehlende Ansprache auf die Medikamente sowie Anfälle, die sich auf eine Körperhälfte konzentrieren und damit auf eine Schädigung der entsprechenden Gehirnhälfte hindeuten, verschlechtern die Prognose. Dauerhaft anfallsfrei bleiben 25 bis 30 % der Patienten, ebenso viele tragen leichtere, unter Umständen auch schwere Folgeschäden davon. Ein Drittel entwickelt später zusätzlich noch andere Anfallsformen, davon ein Großteil das Lennox-Gastaut-Syndrom.

Für Eltern kann es sehr anstrengend sein, mit dieser besonderen Situation umzugehen. Eventuell fühlen sie sich überfordert und wünschen sich zusätzliche Hilfe. Scheuen Sie sich keinesfalls davor, Unterstützung anzunehmen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt und fragen Sie ihn nach Beratungsmöglichkeiten oder Selbsthilfegruppen in der Nähe. Dort wird man Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.