Geschrieben: 16. November, 2016 in Gesundheit | Psyche & Nerven
 
 

Zuhause sterben – Zwischen Wunsch und Wirklichkeit


Der Tod ist ein verletzlicher Augenblick im Leben. Nicht selten wird er auch von Angst begleitet. Der Abschied in den eigenen vier Wänden kann Sicherheit und Geborgenheit bieten. Eine aktuelle Umfrage hat nun ergeben, dass 60 % der Deutschen am liebsten zu Hause sterben möchten. Und eigentlich ist eine solche Pflege bis zum Lebensende im gewohnten Umfeld auch möglich.


Zuhause sterben, Fotoquelle: 123RF

Es erscheint merkwürdig, dass trotz dieses Umfrageergebnisses nur jeder fünfte im eigenen Bett verstirbt. Drei Viertel tun den letzten Atemzug stattdessen in der Klinik oder dem Pflegeheim. Dass der Großteil dieser Menschen sich ein anderes Ende gewünscht hätte, bleibt Spekulation. Die Umfragezahlen lassen es aber vermuten. Neben dem eigenen Zuhause und der Klinik gibt es auch noch die Hospize. Dort werden Sterbende und ihre Angehörigen betreut und während des Abschieds begleitet. Rund 16 % Prozent der Befragten können sich vorstellen, die letzten Momente in einer solchen Umgebung zu verbringen. Eine Studie der DAK zeigt, dass sich dort jedoch auch nur drei Prozent der Sterbefälle ereignen. Von allen Verstorbenen deutschlandweit wäre demnach nur ein Drittel dort gestorben, wo es sich das gewünscht hätte.

Angst vor Einsamkeit und Kontrollverlust

Der Grund für die Abneigung gegen das Sterben in der Klinik oder dem Pflegeheim liegt häufig in einer ausgeprägten Skepsis gegenüber der Versorgung in diesen Einrichtungen, so der Vorstandsvorsitzende der DAK, Herbert Rebscher. Viele Patienten fürchten sich davor, das Ende ihres Lebens alleine und in einem anonymen Umfeld zu erwarten. Und paradoxerweise stirbt im Krankenhaus tatsächlich durchschnittlich jeder fünfte Patient alleine. Die Zahlen im Pflegeheim sind sogar noch höher: Hier ist es jeder dritte Patient bzw. Bewohner. In den eigenen vier Wänden hingegen nur jeder siebte. Und doch ist es nicht nur die Angst vor der Einsamkeit, die den Wunsch aufkommen lässt, zu Hause zu sterben. Denn nicht immer gibt es auch Angehörige oder Freunde, die den Sterbenden begleiten könnten. Manchmal geht es auch um Selbstbestimmung, denn gerade in Kliniken wird die meist ganz oder in Teilen in die Hand der Pflegekräfte und Ärzte gelegt. Doch nicht jeder Sterbende möchte die Entscheidungsgewalt über den Lebensabend aufgeben oder ist aufgrund des gesundheitlichen Zustandes dazu gezwungen. Oft war das eigene Zuhause ein Leben lang ein Ort der Sicherheit und der Selbstverwirklichung – also ein Ort der Ruhe und Geborgenheit, auch im Angesicht des Abschieds. „Selbstbestimmung hat einen sehr hohen Stellenwert, den verbinden die meisten eben mit ihrem Zuhause. Dort fühlen sie sich nicht so ausgeliefert“, bestätigt der Palliativmediziner und Onkologe Johannes Bükki. Eine gewohnte Umgebung beruhigt und nimmt ein Stück weit die Angst vor der möglichen Ungewissheit.

Gründe für betreutes Sterben

In vielen Fällen kann der Wunsch, zu Hause sterben zu dürfen, auch mit Problemen verbunden sein. Vielleicht sind regelmäßige und umfangreiche Untersuchungen bzw. Behandlungen notwendig, oder der Patient leidet an starken Schmerzen, die gelindert werden müssen. Je hilfe- und pflegebedürftiger der Patient, desto schwieriger lässt sich der Wunsch nach einem Abschied in den eigenen vier Wänden verwirklichen. Um all jenen Menschen, die sich dennoch vor dem Krankenhaus, dem Hospiz oder dem Pflegeheim sträuben, eine Alternative zu bieten, gibt es inzwischen vielerorts in Deutschland eine ambulante Sterbebegleitung. Auch Johannes Bükki ist Teil eines solchen Teams von Palliativmedizinern, Pflegern und Sozialpädagogen, die innerhalb ihres Rahmens versuchen, ein selbstbestimmtes Sterben zu ermöglichen. Sie verabreichen Schmerzmittel bei besonders starken Schmerzen, erklären komplizierte Diagnosen, Behandlungsmethoden und Krankheitsverläufe oder bieten überforderten Angehörigen Beistand. Doch auch solche Teams können an ihre Grenzen stoßen. „Es wird für uns zum Beispiel sehr schwierig, wenn ein Patient allein lebt und dement ist“, sagt Palliativpfleger Werner Rattensberger. Und auch die flächendeckende Versorgung mit einem entsprechenden Angebot ist bisher noch nicht verwirklicht, wenn auch von der Politik gefordert. Gesetzlich versicherte Patienten haben nun bereits seit fast zehn Jahren einen Anspruch darauf, dass die Kosten einer solchen palliativmedizinischen Betreuung von ihren Krankenkassen übernommen werden. Ein solches flächendeckendes Angebot könnte die Krankenkassen und das Solidarsystem sogar entlasten. Der Vorstandsvorsitzende der DAK, Herbert Rebscher, kritisiert, dass viele Todkranke zum Lebensende hin noch einmal ins Krankenhaus gebracht werden – entgegen ihrem Wunsch und entgegen dem medizinischen Nutzen. Schützenhilfe bekommt er dabei auch von Bükki. „Gerade Ärzte, die kaum Todkranke begleiten, sind oft zu optimistisch, was die Erfolgsaussichten einer Behandlung im Endstadium angeht“, sagt er. Natürlich darf man den Wunsch eines Sterbenden nach bestmöglicher und umfangreicher medizinischer Betreuung keinesfalls ignorieren. Man darf sie ihm aber auch nicht gegen seinen Willen aufzwingen.

Die beste Lösung

Man setzt sich frühzeitig mit den eigenen Wünschen den Tod betreffend auseinander und verfasst eine entsprechende Patientenverfügung. So kann man davon ausgehen, dass der eigene Wille berücksichtigt wird und vermeidet gleichzeitig, dass sich Angehörige in einer ohnehin schon schwierigen Situation mit Fragen beschäftigen müssen, die sie schnell überfordern könnten.

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