Geschrieben: 30. Januar, 2020 in Gesund essen | Gesundheit
 
 

Fastfood reprogrammiert die Immunabwehr


Häufiger und regel­mäßiger Genuss von Fast-Food, auch Junk-Food oder ironisch “west­liche Diät” ge­nannt, nicht ge­sund ist und neben Fett­leibigkeit auch dauerhafte ge­sundheitliche Schäden verursacht. Eine typische Mahlzeit mit Burger oder Schnitzel, Pommes Frites, Salat mit süßem Dressing, ein Fruchtnektar- oder Cola-Getränk mit Zuckerzusatz, als Des­sert vielleicht ein Donut mit Schoko­glasur versorgt unseren Körper mit wenig Bal­last­stoffen, dafür aber mit viel Zucker, Salz und Fett.

Bei regel­mäßi­gem Angebot passt sich der Metabolis­mus der Nah­rungszusammensetzung an. Zunächst ver­ändert sich die Darmflora, um das Nahrungsangebot bestmöglich ver­dauen zu können. Zusammen mit we­nig Bewe­gung lagert der Körper seit Ur­zei­ten die überschüssigen Nährstoffe für “schlechte Zeiten” in Fettdepots ab – Adi­po­sitas (Ãœbergewicht) entsteht. Das über­schüs­si­ge Gewicht hemmt das Ver­lan­gen nach Bewegung, bei der die Ener­gie wie­der ver­braucht werden könnte – ein Teufelskreis.

40558721 - fast food meal in front of graffiti wall

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Aktuelle Studien zeigen, dass eine starke Gewichtszunahme im frühen Er­wachsenenalter (25-40 Jahre) sowohl bei Männern als auch Frauen mit einem deut­lich erhöhten Risiko für eine Typ-2-Dia­betes (Insulinresistenz, früher auch als “Alterszucker” bezeichnet) einhergeht. Nach einer Latenz­zeit von durchschnittlich 20 Jahren ent­wickelte sich bei Männern 1,5mal häufiger durchschnittlich 5 Jahre früher und bei Frauen 4,3mal häufiger 3 Ja­hre früher eine Typ-2-Diabetes als bei einer Ver­gleichs­gruppe ohne Adipositas. Interessanterweise führt der Konsum von Früchten mit natürlichem Zucker­ge­halt im Gegensatz zum Konsum von Frucht­­säften zu einer Reduzierung des Diabetes- Risikos.  Auch das Risiko für die Ausbildung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt bei der “westlichen Diät” deutlich an. Zu­dem zeigen Studien, dass eine fettreiche Nahrung bei Jugendlichen die geistige Entwicklung beeinträchtigt. Es gibt auch Hinweise, dass sie bei Schwangeren zu einer erhöhten Neigung zur Ausbildung von Asthma- und Allergien des Kindes führt. Vor Kurzem nun wurde an der Uni­ver­sität Bonn eine unerwar­tete, höchst alarmierende Wirkung der “westlichen Diät” entdeckt: das Immunsystem wird durch die unge­sunde Ernährung regel­recht um­program­miert. Für die Versuche wur­den Mäuse einen Monat lang mit fett- und zucker­reicher, ballaststoffarmer Kost ernährt.

Die anschließende Untersuchung des Im­munsystems zeigte, dass der ge­sam­te Körper der Tiere eine massive Ent­zün­dung entwickelt hatte, vergleichbar einer bakteriellen Infektion. Die Diät hatte zum Anstieg von Immunzellen im Blut geführt. Die ständigen Entzündungsreaktio­nen bewirken und begünstigen die Ent­stehung von Gefäßkrankheiten und Typ-2-Diabetes. Bei Arteriosklerose beispiels­weise wandern ständig neu aktivierte Immunzellen in die Gefäßwände und lagern sich dort zusammen mit Fetten unter Bildung von Plaque ab, welche die berüchtigten Gefäßverschlüsse bilden, die zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Anschließende Untersuchungen an den Vorläuferzellen der Immunzellen aus dem Knochenmark zeigten, dass durch die “Diät” eine große Anzahl von Genen aktiviert worden waren. Mit anderen Wor­ten: Das Immunsystem war auf höchste Alarmbereitschaft umprogrammiert wor­den. Wirklich beunruhigend ist allerdings, dass sich diese Reprogrammierung nicht mehr rück­gän­gig machen ließ, auch dann nicht, als die Mäuse wieder auf normale Kost um­ge­stellt wurden und auch nicht, nachdem die Entzün­dung wieder verschwunden war. Ursache dafür ist die Fähigkeit des Immunsystems, sich nach einer Infektion über eine Art “Gedächtnis” zu merken, wie die jeweiligen Erreger bekämpft werden müssen. Das Immunsystem bleibt daher alarmiert, um bei einem neuen Angriff schnell reagieren zu können. Offen­sicht­lich wird dieses Gedächtnis nicht nur durch Infektionen, sondern auch durch falsche Ernährung getriggert. Dabei werden sogenannte Inflammasome frei­gesetzt, welche über eine Reaktions­kette die Entzündungsreaktion auslösen. Die Inflammasome bewirken aber auch – und jetzt kommt der eigentliche Knalleffekt – sogenannte epigenetische Veränderung im Erbgut.

Die Zusammenhänge bei der epi­gene­ti­schen Vererbung wurden erst in jüng­ster Zeit aufgedeckt. Bis dahin be­stand die allgemeine Lehrmeinung, dass nach der Befruchtung einer Eizelle bei der Rekombination der Genome über die neu gebildete DNA die Eigenschaften eines Lebe­wesens unveränderlich fest­gelegt werden (geschlechtliche Vererbung). Es hat sich aber gezeigt, dass nach­trägliche Änderungen an den Chro­moso­men möglich sind – Teil­abschnitte oder sogar ganze Chromo­somen können be­troffen sein. Die eigentliche DNA-Se­quenz wird dabei nicht verändert, aber durch Anlagerung funktioneller Gruppen in ihrer Aktivität beeinflusst. Wenn Keim­zellen beteiligt sind, ist auch eine epige­ne­tische Vererbung über mehrere Gene­ra­tionen hin möglich. Das würde bedeu­ten, dass die ungesunde Ernährung der Eltern Auswirkungen auf Entwicklung und Leben der Kinder haben kann. In jedem Fall aber ist aber davon auszugehen, dass die Nachwirkungen einer längeren “westli­chen Diät” bei den betroffenen Personen vermutlich das ge­samte weitere Leben prägen und be­ein­flussen. Je früher ein Individuum durch fal­sche Ernährung die Aktivitäten seines Immunsystems hochfährt, desto wahr­scheinlicher ist das Auftreten von nega­tiven Folgen im Erwachsenenalter und umso früher und gravierender treten diese Fol­gen auf.

Zitat: “Diese Erkenntnisse haben eine enorme gesellschaftliche Relevanz” (Eike Latz, Uni Bonn).

Es ist somit von entscheidender Bedeutung, dass diese Erkenntnisse schnellstmöglich Einfluss auf die Ernährungspläne von Kindergärten und -tagesstätten bekommen und die Kinder und Jugendlichen in den Schulen über die langfristigen Schäden der Ernährung mit Fast-Food aufgeklärt werden.

Quellen:
Anette Christ (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) et al., Cell, doi:10.1016/j.cell. 2017.12.013
bild der wissenschaft: Fastfood macht Immunsystem aggressiver
wikipedia: Evolutionäre Entwicklungsbiologie
wikipedia: Epigenetik
wikipedia: Diabetes mellitus

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