Fastfood reprogrammiert die Immunabwehr
Häufiger und regelÂmäßiger Genuss von Fast-Food, auch Junk-Food oder ironisch “westÂliche Diät” geÂnannt, nicht geÂsund ist und neben FettÂleibigkeit auch dauerhafte geÂsundheitliche Schäden verursacht. Eine typische Mahlzeit mit Burger oder Schnitzel, Pommes Frites, Salat mit süßem Dressing, ein Fruchtnektar- oder Cola-Getränk mit Zuckerzusatz, als DesÂsert vielleicht ein Donut mit SchokoÂglasur versorgt unseren Körper mit wenig BalÂlastÂstoffen, dafür aber mit viel Zucker, Salz und Fett.
Bei regelÂmäßiÂgem Angebot passt sich der MetabolisÂmus der NahÂrungszusammensetzung an. Zunächst verÂändert sich die Darmflora, um das Nahrungsangebot bestmöglich verÂdauen zu können. Zusammen mit weÂnig BeweÂgung lagert der Körper seit UrÂzeiÂten die überschüssigen Nährstoffe für “schlechte Zeiten” in Fettdepots ab – AdiÂpoÂsitas (Ãœbergewicht) entsteht. Das überÂschüsÂsiÂge Gewicht hemmt das VerÂlanÂgen nach Bewegung, bei der die EnerÂgie wieÂder verÂbraucht werden könnte – ein Teufelskreis.
Aktuelle Studien zeigen, dass eine starke Gewichtszunahme im frühen ErÂwachsenenalter (25-40 Jahre) sowohl bei Männern als auch Frauen mit einem deutÂlich erhöhten Risiko für eine Typ-2-DiaÂbetes (Insulinresistenz, früher auch als “Alterszucker” bezeichnet) einhergeht. Nach einer LatenzÂzeit von durchschnittlich 20 Jahren entÂwickelte sich bei Männern 1,5mal häufiger durchschnittlich 5 Jahre früher und bei Frauen 4,3mal häufiger 3 JaÂhre früher eine Typ-2-Diabetes als bei einer VerÂgleichsÂgruppe ohne Adipositas. Interessanterweise führt der Konsum von Früchten mit natürlichem ZuckerÂgeÂhalt im Gegensatz zum Konsum von FruchtÂÂsäften zu einer Reduzierung des Diabetes- Risikos. Auch das Risiko für die Ausbildung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt bei der “westlichen Diät” deutlich an. ZuÂdem zeigen Studien, dass eine fettreiche Nahrung bei Jugendlichen die geistige Entwicklung beeinträchtigt. Es gibt auch Hinweise, dass sie bei Schwangeren zu einer erhöhten Neigung zur Ausbildung von Asthma- und Allergien des Kindes führt. Vor Kurzem nun wurde an der UniÂverÂsität Bonn eine unerwarÂtete, höchst alarmierende Wirkung der “westlichen Diät” entdeckt: das Immunsystem wird durch die ungeÂsunde Ernährung regelÂrecht umÂprogramÂmiert. Für die Versuche wurÂden Mäuse einen Monat lang mit fett- und zuckerÂreicher, ballaststoffarmer Kost ernährt.
Die anschließende Untersuchung des ImÂmunsystems zeigte, dass der geÂsamÂte Körper der Tiere eine massive EntÂzünÂdung entwickelt hatte, vergleichbar einer bakteriellen Infektion. Die Diät hatte zum Anstieg von Immunzellen im Blut geführt. Die ständigen EntzündungsreaktioÂnen bewirken und begünstigen die EntÂstehung von Gefäßkrankheiten und Typ-2-Diabetes. Bei Arteriosklerose beispielsÂweise wandern ständig neu aktivierte Immunzellen in die Gefäßwände und lagern sich dort zusammen mit Fetten unter Bildung von Plaque ab, welche die berüchtigten Gefäßverschlüsse bilden, die zu Herzinfarkten und Schlaganfällen führen. Anschließende Untersuchungen an den Vorläuferzellen der Immunzellen aus dem Knochenmark zeigten, dass durch die “Diät” eine große Anzahl von Genen aktiviert worden waren. Mit anderen WorÂten: Das Immunsystem war auf höchste Alarmbereitschaft umprogrammiert worÂden. Wirklich beunruhigend ist allerdings, dass sich diese Reprogrammierung nicht mehr rückÂgänÂgig machen ließ, auch dann nicht, als die Mäuse wieder auf normale Kost umÂgeÂstellt wurden und auch nicht, nachdem die EntzünÂdung wieder verschwunden war. Ursache dafür ist die Fähigkeit des Immunsystems, sich nach einer Infektion über eine Art “Gedächtnis” zu merken, wie die jeweiligen Erreger bekämpft werden müssen. Das Immunsystem bleibt daher alarmiert, um bei einem neuen Angriff schnell reagieren zu können. OffenÂsichtÂlich wird dieses Gedächtnis nicht nur durch Infektionen, sondern auch durch falsche Ernährung getriggert. Dabei werden sogenannte Inflammasome freiÂgesetzt, welche über eine ReaktionsÂkette die Entzündungsreaktion auslösen. Die Inflammasome bewirken aber auch – und jetzt kommt der eigentliche Knalleffekt – sogenannte epigenetische Veränderung im Erbgut.
Die Zusammenhänge bei der epiÂgeneÂtiÂschen Vererbung wurden erst in jüngÂster Zeit aufgedeckt. Bis dahin beÂstand die allgemeine Lehrmeinung, dass nach der Befruchtung einer Eizelle bei der Rekombination der Genome über die neu gebildete DNA die Eigenschaften eines LebeÂwesens unveränderlich festÂgelegt werden (geschlechtliche Vererbung). Es hat sich aber gezeigt, dass nachÂträgliche Änderungen an den ChroÂmosoÂmen möglich sind – TeilÂabschnitte oder sogar ganze ChromoÂsomen können beÂtroffen sein. Die eigentliche DNA-SeÂquenz wird dabei nicht verändert, aber durch Anlagerung funktioneller Gruppen in ihrer Aktivität beeinflusst. Wenn KeimÂzellen beteiligt sind, ist auch eine epigeÂneÂtische Vererbung über mehrere GeneÂraÂtionen hin möglich. Das würde bedeuÂten, dass die ungesunde Ernährung der Eltern Auswirkungen auf Entwicklung und Leben der Kinder haben kann. In jedem Fall aber ist aber davon auszugehen, dass die Nachwirkungen einer längeren “westliÂchen Diät” bei den betroffenen Personen vermutlich das geÂsamte weitere Leben prägen und beÂeinÂflussen. Je früher ein Individuum durch falÂsche Ernährung die Aktivitäten seines Immunsystems hochfährt, desto wahrÂscheinlicher ist das Auftreten von negaÂtiven Folgen im Erwachsenenalter und umso früher und gravierender treten diese FolÂgen auf.
Zitat: “Diese Erkenntnisse haben eine enorme gesellschaftliche Relevanz” (Eike Latz, Uni Bonn).
Es ist somit von entscheidender Bedeutung, dass diese Erkenntnisse schnellstmöglich Einfluss auf die Ernährungspläne von Kindergärten und -tagesstätten bekommen und die Kinder und Jugendlichen in den Schulen über die langfristigen Schäden der Ernährung mit Fast-Food aufgeklärt werden.
Quellen:
Anette Christ (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn) et al., Cell, doi:10.1016/j.cell. 2017.12.013
bild der wissenschaft: Fastfood macht Immunsystem aggressiver
wikipedia: Evolutionäre Entwicklungsbiologie
wikipedia: Epigenetik
wikipedia: Diabetes mellitus