Mittel gegen Haarausfall – Quacksalberei oder wirksame Medizin
Für die meisten Männer ist es ein Tiefschlag, ein Treffer direkt ins Ego: androgenetische Alopezie, auch „AGA“ oder „genetisch bedingter Haarausfall“ genannt. Siebzig bis achtzig Prozent der deutschen Männer leiden darunter. Zwar können auch Frauen von androgenetischer Alopezie betroffen sein, doch ist das vergleichsweise selten der Fall. Ihr Leidensdruck ist dann jedoch oft noch höher als bei Männern.
Haarausfall, Fotoquelle: 123RF
Eine einfache Lösung für die schwindende Haarpracht – außer stoischer Gelassenheit – gibt es leider nicht. Oder etwa doch?
Die Alopezie ist keine genetisch bedingte Krankheit. Und doch greift sie neben dem vollen Haupthaar vor allem das Selbstwertgefühl an, wo sie schwere Verwüstungen anrichten kann. Nahezu kein Betroffener, und noch weniger Betroffene, können oder wollen sich dem Schicksal der allmählichen Verglatzung beugen. Aus diesem Grund sind Haarwuchsmittel ein Milliardengeschäft. Von Shampoos über Tinkturen, Gelees bis hin zu Dragees – Drogerien und Online-Apotheken bieten unzählige angebliche Wundermittel an, die neben einem meist stolzen Preis eine weitere Gemeinsamkeit haben: die allermeisten sind absolut wirkungslos.
Es gibt tatsächlich Mittel, um Haarausfall zu vermeiden
Lediglich bei zwei Präparaten ist man sich einig, dass sie tatsächlich wirksam sind: Minoxidil und Finasterid. Ersteres ist eigentlich ein Mittel gegen Bluthochdruck. Neben dem stolzen Preis hat Minoxidil jedoch einen entscheidenden Nachteil: Der Effekt verschwindet, wenn das Mittel abgesetzt wird. Allerdings kann es von beiden Geschlechtern eingenommen werden.
Finasterid wurde hingegen als Mittel gegen Prostatavergrößerung entwickelt. Als man die haarschützenden Nebenwirkungen bemerkte, die sich bei 90 % aller Anwender einstellen, wandelte es sich zum Lifestyle-Produkt. Bekanntester Nutzer ist, laut Aussagen seines Arztes, Donald Trump. Einzige Vorbedingung für den gewünschten Effekt: Es muss noch Haar vorhanden sein, dessen Ausfall vorgebeugt werden kann.
Finasterid greift in den Hormonhaushalt ein
Die Wirksamkeit von Finasterid geht wohl auf seine hemmende Wirkung auf das Hormon Dihydrotestosteron zurück. Das greift bei entsprechender Veranlagung die Haarwurzel an, wodurch die Haare ausfallen. Diese Schutzwirkung hat möglicherweise jedoch einen hohen Preis: Bisherige Studienergebnisse aus den USA legen nahe, dass die regelmäßige Einnahme über einen längeren Zeitraum zu Potenzstörungen, dem Verlust der Lust sowie Depressionen führen könnte. Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit für solcherlei Nebenwirkungen wohl an, je länger Finasterid eingenommen wird. Besonders bedenklich: In manchen Fällen scheinen die Nebenwirkungen dauerhaft zu sein.
Ist Finasterid ein gefährliches Lifestyle-Produkt?
Inwieweit der Wirkstoff Finasterid oder Propecia, wie das Medikament heißt, als Lifestyle-Produkt taugt, ob es tatsächlich so etwas wie das Post-Finasterid-Syndrom gibt, und ob die Zulassung für Finasterid möglichst schnell widerrufen werden sollte, ist unter Medizinern umstritten. Der Sprecher des für die Zulassung zuständigen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, Maik Pommer, möchte sich diesbezüglich nicht festlegen, verweist aber darauf, dass die mögliche Gefahr anhaltender Störungen der Ärzteschaft mitgeteilt wurde und im Beipackzettel verzeichnet ist. Fakt ist jedoch auch, dass viele Männer einem hohen Leidensdruck ausgesetzt sind, der sich durch Finasterid lindern lässt. Und auch, dass die in den USA dokumentierten Nebenwirkungen weder einen hohen Prozentsatz der Probanden betreffen, noch eindeutig auf die Gabe von Finasterid zurückzuführen sind, spricht zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls gegen eine Verteufelung. Aufklärung und professionelle Kontrolle sind beim Einsatz von Finasterid dennoch unerlässlich. Und wer kann, sollte stattdessen auf Minoxidil zurückgreifen.