Geschrieben: 15. Dezember, 2019 in Gesund essen | Magen & Darm
 
 

Personalisierte Ernährung – Essen für die Darmflora


Die Kosmetikindustrie macht es schon seit Jahrzehnten vor: Personalisierung. Für jedes Haut- und Haarproblem, für jedes Alter gibt es das passende Produkt – und das jeweils in der Variante, die zum eigenen Lifestyle passt, vegan, tierversuchsfrei oder aus rein natürlichen Inhaltsstoffen.

 

Fotoquelle: “Bauchgefühl” AdobeStock

Doch während es in der Drogerie Hunderte auf die individuellen Anforderungen zugeschnittene Cremes gibt, sucht man im Supermarktregal vergebens nach dieser Fülle an maßgeschneiderten Lebensmitteln. Bisher gab es hier schlicht Einheitsbrei mit dem Hinweis auf Kosten und begrenzte Regalfläche, so dass es das Tiefkühlfertiggericht maximal in einer veganen oder einer Bio-Variante gibt.

Doch damit scheint nun Schluss: Auch bei Lebensmitteln setzt sich die Personalisierung zunehmend durch. Selbst beim Discounter stehen heute Produkte im Regal, die früher nur im Reformhaus zu finden waren: Alternativen für Menschen mit Unverträglichkeiten von Lactoseintoleranz bis Zöliakie, aber auch Leckereien, die sich weniger an den gesundheitlichen Bedürfnissen als am Lebensstil der Konsumenten orientieren wie vegane Burger, Paleo-Müslis oder Low-Carb-Brote.

Mit Personalisierter Ernährung im wissenschaftlichen Sinn hat das jedoch wenig zu tun. Geht es nach aktuellen ernährungsmedizinischen Studien, so ist eine „echte“ Personalisierte Ernährung nicht weniger als die bis dato wirksamste Waffe gegen Übergewicht und ernährungsmitbedingte Krankheiten. Bisher war man davon ausgegangen, dass es eine gesunde Ernährungsweise für alle gibt: Wer sich nach den offiziellen Empfehlungen richtet, der ernährt sich gesund und wird langfristig Übergewicht vermeiden, so die Lehrmeinung. Auch Diäten suggerieren eine erfolgreiche Gewichtsreduktion, meist ohne Geschlecht, Alter, persönlichen Gesundheitszustand und individuellen Stoffwechsel zu berücksichtigen.

Dass eine Ernährungsempfehlung nicht für jeden passt, zeigt das Beispiel Vollkorn: Backwaren, die Vollkorn enthalten, sind reich an Ballaststoffen, wertvollen Pflanzeninhaltsstoffen, wirken sättigend und bringen die Verdauung in Schwung. Deshalb gelten sie als zentraler Baustein für eine gesunde Ernährung. Gleichzeitig propagieren Low-Carb-Diäten, Kohlenhydrate weitestgehend aus dem Speiseplan zu streichen und wenn doch, dann zu den Vollkornvarianten zu greifen – Vollkornbrot statt weißem Toast, Naturreis statt hellem Reis. Denn diese sollen dafür sorgen, dass der Blutzucker nach einer Mahlzeit weniger stark ansteigt. Ein ausgeglichener Blutzuckerspiegel ohne große Schwankungen ist nicht nur wichtig für eine gute Energieversorgung, sondern vermeidet auch Heißhungerattacken und trägt so zum Gewichtsmanagement bei. Was aber, wenn nicht alle Menschen auf diese Weise reagieren? Genau das hat eine Gruppe renommierter Forscher in Israel festgestellt. Sie untersuchten, mit welcher Blutzuckerantwort ihre Testpersonen auf Vollkornbrot, aber auch Weißbrot, Kekse oder Bananen reagierten – und kamen zu überraschenden Ergebnissen: Einige Probanden zeigten nach einer Scheibe Vollkornbrot eine regelrechte Blutzuckerspitze, nach Weißbrot blieb der Glukoselevel jedoch stabil.

Das Mikrobiom ist entscheidend – oder doch die Gene?

Was jedoch ist der Grund für diese unterschiedlichen Reaktionen? Das Forscherteam sieht das Mikrobiom, also die individuelle bakterielle Besiedelung des Darms in der Verantwortung. Welche Bakterien in welchem Verhältnis in unserem Dickdarm vorkommen bestimmt maßgeblich, wie wir Nahrungsmittel verstoffwechseln. Eine Idee, die der Personalisierten Ernährung zugrunde liegt: Mittels Stuhl- und Blutzuckeranalyse herausfinden, wie der eigene Stoffwechsel auf Lebensmittel reagiert, den Ernährungstyp ermitteln und dann gezielt Produkte auswählen, die diesem Typ entsprechen.

Ein anderes Konzept der Personalisierung konzentriert sich nicht auf das Mikrobiom, sondern auf die genetische Disposition. Ein Beispiel ist das „Kaffee-Gen“ CYP1A2: Während manche Menschen des Genotyps GG das enthaltene Koffein schnell verarbeiten, gehören die der Genotypen GA und AA zu den langsamen Verstoffwechslern. Das bedeutet, dass das Koffein länger im Körper verbleibt und das Risiko für koronare Herzerkrankungen deutlich erhöht ist. Menschen mit der GG-Variante haben mit einem moderaten Kaffeekonsum sogar ein geringeres Risiko für koronare Herzerkrankungen als würden sie gar keinen Kaffee trinken.

Klingt zu kompliziert für den Alltag? Tatsächlich gibt es bereits recht einfache Methoden für die Umsetzung. Denn schon jetzt haben verschiedene Anbieter neben Analyse-Kits für den Selbsttest auch eine umfassende personalisierte Ernährungsberatung im Portfolio. Das Startup Perfood beispielsweise bietet mit dem Programm „MillionFriends“ eine zweiwöchige kontinuierliche Blutzuckermessung sowie eine Stuhlanalyse zur Bestimmung des Mikrobioms an – auf Basis der Ergebnisse lässt sich mit wenigen Anpassungen in der täglichen Ernährung eine langfristige Gewichtsreduktion erreichen. Das in Kanada ansässige Unternehmen Nutrigenomix hingegen setzt auf eine DNA-Untersuchung, um herauszufinden, welche genetischen Varianten vorliegen und wie diese sich auf die Verstoffwechslung von Nahrungsmitteln auswirken können.

Nach der Analyse ist vor dem Einkauf

Die Selbstanalyse ist jedoch nur eine Seite der Medaille – die andere Seite sind Lebensmittel, die zu den verschiedenen Ernährungstypen passen. Denn täglich alle Mahlzeiten frisch selbst zuzubereiten, gelingt im Spagat zwischen Beruf, Familie und Freizeitaktivitäten den wenigsten Menschen. Inzwischen gibt es erste Anbieter, die einer „echten“ Personalisierung schon näher kommen: Der Müslihersteller mymuesli beispielsweise bietet online einen medizinischen Fragebogen an, mit dem die Kunden herausfinden können, welche Müslirezeptur zu ihrem Stoffwechsel passt. Auch der Getreideexperte GoodMills Innovation ist mit maßgeschneiderten Zutaten für personalisierte Lebensmittel aktiv, die bereits in vielen Bäckereien erhältlich sind: Das verträgliche Urgetreide 2ab-Weizen ist besonders auf die Bedürfnisse von Kunden abgestimmt, deren Verdauung auf normalen Brotweizen empfindlich reagiert. Und mit dem Tatarischen Buchweizen RUTIN X lässt sich zum Beispiel ein Brot herstellen, das den Stoffwechsel unterstützen und blutzuckerregulierend wirken kann.

Quelle: www.2ab-weizen.de