Geschrieben: 25. September, 2013 in Aktuelles | Psyche & Nerven
 
 

Mitgefühl oder Zwang zum Mitfühlen?


Das kennen wir doch sicherlich alle: Jemand sitzt uns gegenüber und beginnt herzhaft zu Gähnen. Kaum geschehen, müssen wir es auch tun, den meisten gelingt es nicht, diesen Zwang zu unterdrücken. Selbst mit völlig fremden Personen können wir lachen, weinen und – wie erwähnt – gähnen. Doch wie funktioniert das? Von welchen Faktoren hängt es ab, wie stark wir uns in andere und uns teilweise völlig fremde Personen hineinversetzen?



Ist das noch Mitgefühl, oder eine kleine schauspielerische Leistung, die unterbewusst von uns gesteuert wird?

Wer steuert hier was?

Hirnforscher Christian Keysers ist überzeugt davon, dass die Antwort auf all diese Fragen im motorischen Cortex liegt, präziser gesagt, in den darin befindlichen Spiegelneuronen. Laut seiner Annahme sitzt in diesem Bereich des menschlichen Gehirns das Mitgefühl. Er ist sich sicher, dass: „die Spiegelneuronen dafür sorgen, dass wir nicht nur abstrakt beobachten, was andere Menschen machen, sondern dass wir ihre Handlungen sogar am eigenen Leib nachfühlen können.“

Wie einfühlsam, oder in anderen Worten, empathisch eine Person ist, kann man von deren Reaktion auf das Gähnen einer anderen Person ableiten, bzw. wie leicht sie sich anstecken lässt. Mitfühlende Menschen sind schneller am Gähnen – vor allem, wenn sie müde sind. Doch auch andere Situationen kenne wir zur Genüge, zum Beispiel bei einem mitreißendem Film: Auf dem Höhepunkt der Spannung verliert der Held einen geliebten Menschen, viele Zuschauer fühlen mit und sind ergriffen. Begründung: Die gleiche Gehirnregion ist aktiv, es ist egal, ob man den Kummer direkt erleidet oder ihn nur nachfühlt.

Automatisch Abstand schaffen und Differenzieren

Wie schafft es das Gehirn dann, zwischen Realität und Fiktion zu unterscheiden? Was ist real und was ist nur gespielt?

Nicht alle Neuronen im motorischen Cortex, dem Hirnareal, das für die Motorik zuständig ist und Bewegungen koordiniert, sind Spiegelneuronen. Nur gerade mal zehn Prozent der Neuronen schwingen mit, wenn wir die Bewegungen und Gesten anderer beobachten, sagt Keysers. „So unterscheidet das Gehirn wischen fühlen und mitfühlen“.

Der Hirnforscher sagt auch, dass es unser Mitgefühl stark davon abhängt, in welchem Verhältnis wir zu der beobachteten Person stehen. Bestimmte Faktoren verstärken das Mitgefühl – wie das Schreien eines Babys zum Beispiel, Forscher haben herausgefunden, dass die Schmerzaktivität im Gehirn der Mutter bei Schreien des eigenen Kindes weitaus höher liegt, als bei Schreien eines fremden Kindes.

Bei Fußballfans wurde das genaue Gegenteil festgestellt: Fangruppen empfinden für einen gefoulten Spieler der eigenen Mannschaft mehr Mitgefühl, als für einen Spieler der gegnerischen Mannschaft, der auf die gleiche Weise zu Fall gebracht wurde.