Mikrotraumatisierungen – wenn die Kindheit krank macht
Chronische Krankheiten können wieder heilen, wenn deren Ursachen entdeckt worden sind. Diese liegt meist in Verhaltensmustern aus der frühen Kindheit.
Das Gefühl, das Leben sei hart und anstrengend, die Angst, der Liebe nicht wert zu sein oder auch der Glaube Essen mache dick, Kälte mache krank oder Sexualität sei unmoralisch, können erlernte Formeln aus der Zeit sein, in der wir uns noch im Mutterleib befanden und die krankmachende Auswirkungen haben – ein Leben lang. Was die Mutter fühlte, fühlten wir auch – und hielten es für die eigenen Erlebnisse.
Embryonen werden nicht nur durch wahrnehmbare Reize wie Geräusche und Bewegungen beeinflusst, sondern auch und vor allem durch die Neurotransmitter aus dem mütterlichen Blut. Aufgrund dieser „Standleitung“ fühlt ein Ungeborenes, was seine Mutter fühlt und speichert diese Emotionen als Wahrnehmungsmuster ab.
Solche Muster sind unterbewusste Grundannahmen, aufgrund derer ein Ereignis als Bestätigung oder Ausnahme eingeordnet wird. Sie entscheiden über die Emotionen bei einem Erlebnis und können somit einen großen Einfluss auf die Gesundheit oder das Verhalten haben.
Tiefenpsychologische Ursachenanalyse hilft, alte Muster aufzulösen
Chronische Krankheiten, Süchte oder Angewohnheiten – diese dauerhaft und nachhaltig zu verändern gilt als fast unmöglich. Obwohl wir Menschen doch ein Leben lang lernen, sind Verhaltensänderungen für Ärzte und Psychologen eine scheinbar unlösbare Aufgabe. Denn oft zeigt sich bald wieder das alte Verhaltensmuster mit seinen Auswirkungen. Ermahnungen, oder Medikamente reichen meist nicht aus, um bei einem Menschen die Weichen für ein konfliktfreies Leben zu stellen.
Ginge man den Problemen einmal auf den Grund und würde deren Ursachen analysieren, dann könnte man krankmachende Muster verändern, sagt der Diplom-Pädagoge Andreas Winter. Er hat eine tiefenpsychologische Methode gefunden, mit der es Menschen tatsächlich gelingt, leicht eine automatische Kursänderung im Verhalten herbeizuführen.
Ob Raucher, Übergewichtige, Allergiker oder von Depressionen Geplagte: Sie alle können sich mühelos befreien, wenn man den Ursachen auf den Grund geht.
Emotionale Prioritäten bestimmen das Verhalten
Dazu muss man wissen: Nicht der viel gelobte Verstand steuert uns, sondern es sind tatsächlich unsere emotionalen Prioritäten, also Absichten, Erwartungen und deren Erfüllung, die darüber entscheiden, wie wir uns verhalten. Welchen Lebensweg wir gehen und wie es auch letztlich mit unserer Gesundheit aussieht, bestimmt auf Dauer nicht der Wille. Wenn man also wirklich möchte, dass ein Mensch sein Verhalten ändert, so braucht man ihm nur zu einer anderen emotionalen Priorität zu verhelfen. Das geht mit einer speziellen Hypnose, in der die alten Programmierungen erkannt und unschädlich gemacht werden.
Die Nabelschnur ist wie eine Standleitung zur Mutter
Der Lernprozess eines Menschen beginnt erstaunlich früh. In etwa der dritten Schwangerschaftswoche entwickeln sich die ersten Nervenzellen. Diese reagieren auf Reize und vernetzen sich untereinander, wodurch sie Informationen erfassen und speichern. Über die Nabelschnur bekommen Ungeborene somit nicht nur Sauerstoff und Nährstoffe, sondern auch Neurotransmitter aus dem mütterlichen Blut, jene chemischen Botenstoffe, die Emotionen erzeugen. Das bedeutet, Stress, Wut, Trauer, Verliebtheit oder Hoffnung, Erwartungsdruck oder Verzweiflung. Alles, was eine schwangere Frau spürt, spürt ihr Embryo genauso. Hinzu kommen noch die äußeren Sinnesreize, die ein Ungeborenes registriert. Es hört Geräusche und spürt Bewegungen der Mutter, ohne zu wissen, was oder wer das ist. Es bezieht alles Wahrgenommene auf sich selbst. Genau hier beginnt die Prägung unserer Wahrnehmungsmuster und teilweise unseres späteren Verhaltens. Und genau hier wird das Muster dann in der Hypnose aufgelöst und der Mensch kann gesunden.
Wir lernen ein Leben lang
Bei jedem Gedanken – und sei er noch so unscheinbar – verschalten sich Nervenzellen und „speichern“ die Gedanken, damit Erlebtes dauerhaft erhalten bleibt. Von den circa zwölf Millionen Sinneseindrücken pro Sekunde, die auf uns einprasseln, gerät nur ein sehr kleiner Teil in unsere Wahrnehmung, was uns glücklicherweise vor Reizüberflutung schützt. Diese Datenmenge wird aber dennoch verschaltet und ist unter Hypnose durchaus abrufbar. Hypermnesie – übersteigerte Erinnerungsfähigkeit – nennt man diesen erstaunlichen Effekt, wenn ein Mensch in einer leichten Trance beispielsweise sogar den Ort und das Datum nebst passendem Wochentag nennen kann, an dem er seine ersten eigenen Schritte gemacht hat. Diese enorme Verknüpfungs- und Erinnerungsfähigkeit des Gehirns hat aber auch eine Kehrseite: Stressbehaftete Erlebnisse, in denen ein Mensch sich bedroht, ausweglos und somit handlungsunfähig fühlte, wirken ebenfalls unterschwellig ein Leben lang. Und es sind genau diese unterbewusst abgespeicherten „Dateien“, die unser alltägliches Verhalten zum Großteil beeinflussen. Wir kennen diesen Vorgang unter dem Namen „Konditionierung“. Zwei voneinander unabhängige Reize werden in einen emotionalen Zusammenhang gebracht und lösen hierdurch beide die gleiche Reaktion aus. Iwan Pawlow zeigte das einst an Hunden, die beim Füttern ein Glöckchen hörten und nach wenigen Malen allein beim Hören des Klingelns in Vorfreude auf das Fressen Speichelfluss bekamen. Wir Menschen sind voll von solchen Konditionierungen, die allesamt im Verborgenen wirken. Das Ziehen an einer Zigarette kann mit „erwartungsdruckfreier Zeit“ verknüpft werden, eine Mahlzeit mit „gefüttert, also versorgt und geliebt werden“ und ein stechendes Insekt erinnert unterbewusst oft an den Stich bei der ersten Blutentnahme, wenige Minuten nach der Geburt. Solche Konditionierungen hängen allein von der Stärke der Reize und unserer Lernfähigkeit ab.
Wir lernen bereits in der Schwangerschaft
Babys sind bei ihrer Geburt keine unbeschriebenen Blätter, sind sie doch bereits durch die Emotionen der Mutter „vorprogrammiert“.
Doch welche bahnbrechende Schlussfolgerung das in der Konsequenz zulässt, zeigt sich im tiefenpsychologischen Coaching bei der Analyse eines Symptoms oder einer konflikthaften Verhaltensweise. Die Ursache von Verhaltens- und Wahrnehmungsmustern findet sich immer in Erlebnissen aus der vorgeburtlichen Zeit, selbst wenn ein Symptom erst nach Jahren ausbricht.
Ursache bedeutet: Hier ist der Anfang, hier hat es begonnen. Es gibt für jedes Phänomen immer nur eine Ursache, also ein einziges Ereignis, das am Anfang eines Prozesses steht. Alle weiteren Erlebnisse bestätigen entweder das Ursprungsereignis oder sind eine Ausnahme davon. Und hier, an der Ursache, kann man das Phänomen verändern.
Ein Trauma erzeugt eine Verhaltensformel
Traumatisierungen lauern an jeder Ecke, nur beachtet dies meist keiner, weil wir fast alles mit den Maßstäben des Erwachsenen bewerten. Daher nenne ich diese frühkindlichen Stresserlebnisse, die einen Jahrzehnte später krank machen oder gar töten können, „Mikrotraumatisierungen“. Mikro, weil wir sie aus unserer Perspektive für banal und unscheinbar erachten. Doch im Grunde sind sie leicht zu entdecken. Mit entsprechendem Hintergrundwissen und dem Einfühlungsvermögen in die Erlebniswelt eines Kindes entdeckt man plötzlich die traumatisierenden Katastrophen, die Jahrzehnte später dem Leben die Qualität rauben. Wenn man einen Menschen nicht einfach für „zufällig krank“ erklärt, sondern ihn in seinem Verhalten und seinen Emotionen ernst nimmt, kann das oftmals schon ausreichen, um vom Symptom auf die Ursache zu schlussfolgern. Das allein reicht selbstverständlich noch nicht aus, um rasch wieder gesund, fit und sorgenfrei zu sein. Aber das Erkennen der Ursache ermöglicht demzufolge eine gründliche Aufarbeitung.
Daher ist für uns die Frage: „Warum genau ist das beschriebene Erlebnis so schlimm für Sie?“ für uns so wichtig, denn wir bekommen damit Antworten, die viel weiter zurückreichen als die aktuell bewussten Erlebnisse und somit das „Referenzereignis“ für weitere Erlebnisse darstellen.
Stresshormone können in den Blutkreislauf des Fötus übertragen werden und hinterlassen Spuren, die ein Leben lang Auswirkungen haben können. Wenn ein Baby geboren ist, hat es bereits eine Vielzahl von Emotionen neuronal verschaltet und ordnet sich dementsprechend ein. Je nachdem, welches Gefühl überwiegt, kann es sich dabei sicher oder unsicher fühlen. So entsteht beispielsweise eine Laktoseintoleranz nicht selten durch Stresshormone, die sich in der Muttermilch befinden und vom Baby beim Stillen aufgenommen werden. Nicht selten verkrampft sich das Baby dabei und beißt dabei die Brustwarze wund – was die Mutter noch mehr stresst. Beim Baby wird unterbewusst abgespeichert: „Milch stresst.“ Die Laktose selbst hat mit der Intoleranz nichts zu tun, weshalb Menschen, die diese Verknüpfung „Mama ist angespannt und Milch ist der Bote der Nachricht“ entkoppelt haben, wieder nach wenigen Minuten Milchprodukte unbeschwert genießen können, falls sie das möchten.
Das Gleiche gilt beispielsweise auch für eine Nussallergie. Hat eine schwangere Frau Spurenelemente von Nüssen im Blut, was in der Adventszeit häufig vorkommt, und zusätzlich Stresshormone, vielleicht weil sie sich überfordert, im Stich gelassen oder bevormundet fühlte, dann werden diese beiden Informationen im fötalen Gehirn zu der Botschaft „Nüsse sind gefährlich“ verknüpft. Es kann genügen, dass dieser Eindruck nur, je nach emotionaler Eindruckstiefe, ein einziges Mal bestätigt wird und schon reagiert der Mensch in einer Gemütslage von Überforderung, Einsamkeit oder Bevormundung allergisch, wenn dabei zeitgleich Nüsse wahrgenommen werden. Ist diese Verknüpfung aufgedeckt und rationalisiert – Nüsse machen nicht krank und bei Kummer hilft auch kein allergischer Schub –, kann der Ex-Allergiker sofort wieder unbeschwert Nüsse verzehren.
So ein Verhaltensmuster ist wie eine Formel, die sich nicht mit Disziplin oder Medikamenten durchbrechen lässt, sondern nur mit dem Verändern eines ihrer Parameter. Die Sichtweise eines hilflosen, traumatisierten Kindes zu verstehen, ist der Schlüssel zur Veränderung der Kompensationsversuche. Das Werkzeug zur Umsetzung ist nicht die Medizin, sondern das Verschieben der emotionalen Prioritäten.
Meinem Ansatz liegt zugrunde, dass das Gehirn Stress rasch wieder loswerden will, dass die Psyche daher nach Entfaltung in Ruhe und Frieden trachtet – nur den einfachen Weg dorthin nicht kannte. Ein emotionales Update, wie ich es nenne, ermöglicht einen Reifeschritt. Eine einzige Erkenntnis kann für eine automatische und dauerhafte Verhaltensänderung sorgen. Das Ziel des Menschen bleibt dabei das gleiche: Zufrieden zu sein – nur der Weg dorthin wird zu einem anderen.
Buchtipp: Wie unsere Psyche tickt
Die Intelligenz des Unterbewusstseins verstehen. Wie psychosomatische Symptome und Blockaden entstehen und wieder aufgelöst werden können.
Autor: Andreas Winter
Titel: Wie unsere Psyche tickt
Verlag: Mankau Verlag
Umfang: 270 Seiten
Einband: Taschenbuch
Maße: 24/16,5 cm
ISBN: 978-3-86374-713-8
Preis: € (D) 28,00
Auslieferung: 12.02.2024