Gicht – Gefahr für Herz und Nieren
Die Folgen eines hohen Harnsäurespiegels im Blut werden vielfach unterschätzt, denn bis zum Ernstfall verursacht die Krankheit kaum Beschwerden.
Die Ärzte vermuteten eine lebensbedrohliche bakterielle Infektion: In der Notfallaufnahme wurde ein 41-jähriger Patient mit schwersten Schmerzen in Knien, Schultern und Händen, mit Schüttelfrost und Fieber bis 40 Grad Celsius eingeliefert. Bei näherer Untersuchung stellte sich jedoch heraus: Der Patient hatte einen besonders schweren Gichtanfall. So weit kommt es glücklicherweise nur selten – aber immerhin sind bei jedem 20. Deutschen die Harnsäurewerte erhöht. Die Folgen können vom schmerzhaft entzündeten Gelenk über Nierenschädigungen und Bluthochdruck oder Gichtknoten in den Weichteilen bis hin zum Herzinfarkt reichen.
Die Statistik des Deutschen Instituts für Ernährungsmedizin und Diätetik in Bad Aachen zeigt, dass der durchschnittliche Harnsäurewert deutscher Männer seit 1962 von damals 4,9 auf mittlerweile 5,9 angestiegen ist.
Ab Harnsäurewerten über 6,4 mg/dl spricht man von einer Hyperurikämpe – das ist ein Ãœbermaß an Harnsäure im Serum. Hauptsächlich Männer sind von der Gicht betroffen. Die Gründe hierfür sind noch nicht so recht klar. Es wird vermutet, dass Frauen durch ihre weiblichen Hormone besser geschützt sind, und dass die Ernährungsvorlieben der Männer die Krankheit stark fördern, etwa das Essen von Fleisch und das Trinken von Alkohol, speziell von Bier. Bei Frauen wird Gicht vor allem nach den Wechseljahren häufiger festgestellt.
Was ist Harnsäure?
Ein Endprodukt des so genannten Purinstoffwechsels, bei dem Eiweißbaustoffe verarbeitet werden. Jede Körperzelle lässt beim Aufbau der Zellkerne Purine entstehen.
Das macht auch klar, weshalb Übergewicht das Problem verstärkt: Je mehr Zellen, desto mehr Purine.
Zusätzlich nimmt jeder Mensch mit der Nahrung Purine auf. Am gehaltvollsten sind Fleisch und Fischprodukte, vor allem Innereien wie Bries, Herz, Leber und Nieren, aber auch Fleischextrakt, Geflügel wie Gans und Huhn, Fische wie Ölsardinen, Sprotten, Bückling und Schalentiere, wie Hummer oder Muscheln. Auch pflanzliche Nahrungsmittel wie Hülsenfrüchte sind purinreich.
Besonders gichtfördernd ist Alkohol, denn er vermindert die Fähigkeit der Niere, Harnsäure auszuscheiden. Normalerweise werden rund 20 Prozent der Harnsäure mit dem Darminhalt und 80 Prozent über die Niere entsorgt. Bier ist doppelt schädlich, denn neben der Alkoholwirkung enthält es auch Purine. Deshalb können auch alkoholfreie Biere, vor allem Weißbier, einen Gichtanfall auslösen.
Dass erhöhte Harnsäurewerte nicht nur zu Gelenkschmerzen führen, sondern auch einen eigenständigen Risikofaktor für Herz und Gefäßkrankheiten darstellen, ist erst seit einigen Jahren erwiesen. Nach Untersuchungen amerikanischer Spezialisten erhöht oder senkt eine Veränderung der Harnsäure um 1 mg/dl das Herzinfarktrisiko ähnlich wie eine Veränderung des Cholesterins um 20 mg/dl oder des Blutdrucks um 10 mmHg.
Eine Dauerbehandlung mit Medikamenten setzt aber einen Gichtanfall oder zumindest Harnsäurewerte von mehr als 9 mg/dl voraus. Es gibt Mittel wie Allopurinol, das die Entstehung von Harnsäure hemmt, oder auch Medikamente, die die Harnsäureausscheidung anregen. An erster Stelle steht jedoch immer die Veränderung der Ernährungsweise: Männer senken ihr Gicht-Risiko erwiesenermaßen, wenn sie mehr als vier Kilogramm abnehmen.